
Stagnierende Zahlen, optimistische Experten, gelassenes Volk: Dänemark sieht sich überm Omikron-Berg
In Deutschland fürchten sich Fachleute und Politiker:innen genauso wie viele in der Bevölkerung vor einer Omikron-Wand. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt hierzulande bei 427,7, Stand Donnerstag. Tendenz steigend, da hier die Infektionszahlen steigen. In manchen Regionen wie Hamburg, Bremen oder Schleswig-Holstein liegen die Inzidenzen sogar weitaus höher.
Bei Deutschlands nördlichem Nachbar sieht die Situation noch dramatischer aus. Allerdings nur, wenn man sich die Sieben-Tage-Inzidenz anschaut. Die liegt in Dänemark bei 2099,4.
Dänemark wurde schon vor ein paar Wochen von der Omikron-Welle getroffen. Ende Dezember stiegen die Zahlen noch einmal drastisch. Mehr als 20.000 Infektionen wurden an manchen Tagen registriert – bei einer Bevölkerung von fast sechs Millionen Menschen. Die Regierung führte wieder strikte Maßnahmen ein, nachdem das Land im September zunächst alle Maßnahmen aufgehoben hatte und zur Normalität zurückgekehrt war. So wurden wieder Maskenpflicht und Schließungen von mehreren Bereichen angeordnet.
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Corona-Zahlen in Dänemark scheinen Höhepunkt erreicht zu haben
Jetzt will das skandinavische Land erste Corona-Restriktionen wieder lockern. Kinos und Theater dürfen wieder öffnen, ebenso Museen, Zoos, Aquarien, Volkshoch- und Abendschulen. Es gelten aber Maskenpflicht, Personenbegrenzungen und die 3G-Regel in Form eines Corona-Passes. Bis mindestens zum 31. Januar geschlossen bleiben müssen noch Diskotheken und Clubs, Spielhallen, Casinos und Badeländer.
Tatsächlich scheinen die Corona-Zahlen in der Omikron-Welle zu stagnieren. Daten der staatlichen Gesundheitsbehörde Statens Serum Institut (SSI) zeigen etwa, dass die Infektionszahlen inzwischen auf einem stabilen Niveau sind und sogar leicht zu sinken scheinen. Auch die Zahl der täglichen Krankenhauseinweisungen hält sich relativ stabil, ebenso die Zahl der Todesfälle.
Der Druck auf die Krankenhäuser ist zwar noch da. Aber eine Überlastung, insbesondere auf den Intensivstationen, gibt es nicht. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen insgesamt scheint ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Diese betrug am Donnerstag 755; am 4. Januar waren es noch 794. Und auch die Anzahl der Intensivpatient:innen auf den Intensivstationen scheint mit 82 in der aktuellen Welle am Donnerstag vor einer Woche ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Der Mediziner Prof. Henrik Nielsen ist laut der Zeitung "Politiken" jedenfalls dieser Meinung: "Wir haben hier wahrscheinlich Mitte Januar einen Höhepunkt. Zumindest was die Krankenhausbelastung angeht. Es gibt immer noch hohe Infektionsraten, und es gibt auch viele, die ins Krankenhaus eingeliefert werden. Aber es gibt genauso viele, die entlassen werden."
Impfungen und Test-Strategie Gründe für Erfolg
Am Dienstag schrieb Gesundheitsminister Magnus Heunicke auf Twitter, dass der R-Wert in Dänemark bei 1,0 liege. "Wir haben eine stabile Epidemie, und auf die Ansteckungen in der Gesellschaft folgte nicht der gleiche Anstieg der Krankenhauseinweisungen, nicht einmal auf der Intensivstation. Ein klares Signal, dass Omikron milder ist und die Auffrischungsimpfung wirkt. 54 Prozent der Bevölkerung wurden geboostert. Danke!"
Fast 80 Prozent der dänischen Bevölkerung ist doppelt geimpft. In Deutschland liegt die Zahl der doppelt Geimpften lediglich bei 72,3 Prozent. Und knapp 45 Prozent sind geboostert. Und Dänemark will sogar den vierten Piks anzubieten, allerdings erst mal nur für besonders gefährdete Gruppen, wie etwa Menschen mit einem geschwächten Immunsystem.
Der dänische Corona-Weg ist in den Augen Heunickes weltweit ein Vorbild, wie er am Mittwoch auf einer Pressekonferenz sagte. "Die ganze Welt schaut zu. Die dänischen Daten gehören zu den besten der Welt, wenn es darum geht, Wissen über Omikron zu sammeln."
Tatsächlich ist Dänemark beim Testen ein Spitzenreiter. Allein in der ersten Woche des Jahres wurden nach SSI-Angaben knapp 2,9 Millionen Corona-Tests im Land durchgeführt – Antigen- und PCR-Tests. Das entspricht ungefähr der Hälfte der dänischen Bevölkerung. Zudem ist Dänemark auch ein Vorreiter beim Sequenzieren der Corona-Varianten. Dadurch ergibt sich ein deutlich besserer Überblick über die Pandemie-Lage, denn die Dunkelziffer der Infektionen wird verringert. Hinzu kommt eine weit fortgeschrittene Digitalisierung im Land.
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Expert:innen sehen baldiges Ende der Pandemie
Dieses Monitoring sei einer der Gründe, "warum wir zu Recht einen großen Schritt in Richtung einer Wiedereröffnung und einer normaleren Gesellschaft machen können", so Heunicke.
Auch Expert:innen sind der Meinung, dass man in Dänemark langsam in Richtung Normalität gehen kann. Die SSI-Fachdirektorin Tyra Grove Krause sagte dem Fernsehsender TV2, dass sich die dänische Gesellschaft trotz hoher Omikron-Zahlen in einen Zustand bewege, der mit Grippe-Wellen vergleichbar sei. "Es stimmt, dass wir uns ein wenig mehr in Richtung eines solchen grippeähnlichen Musters bewegen, bei dem die Strategie dieselbe ist. Wir können eine Ansteckung in der Bevölkerung nicht verhindern, aber wir können dafür sorgen, dass die Schwächsten vor schweren Erkrankungen geschützt werden."
Die Impfstrategie des Staates soll laut Krause künftig der der gängigen Grippevarianten ähneln, gegen die auch der ältere Teil der Bevölkerung geimpft wird. "Pflegeheimbewohnern und Senioren muss eine zusätzliche Impfdosis angeboten werden. Es ist eine Gruppe von Bürgern, die am stärksten gefährdet ist, ernsthaft zu erkranken. Es ist wirklich wichtig sicherzustellen, dass diese Gruppe besonders gut geschützt ist."
Anfang Januar hatte Tyra Grove Krause die optimistische Hoffnung geäußert, dass Dänemark Ende Januar den Höhepunkt der Omikron-Welle erreichen wird und nach rund zwei Monaten mit abnehmenden Infektionszahlen wieder in einen "Normalzustand" zurückkehren könne.
„Nicht so schlimm, wie es hätte sein können“
Auch die Pandemieforscherin Lone Simonsen sieht nach Omikron ein Ende der Pandemie, wie sie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Danmarks Radio (DR) sagte: "Jetzt bekommen wir eine mächtige Omikron-Welle, die irgendwann im Februar oder März abfällt. Dann kommen Frühling und Sommer und da sind wir es gewohnt, dass es mit Viren viel besser läuft. Dann kommt der Herbst, und da sind wir glaube ich mit der Pandemie-Phase fertig."
Es habe sich gezeigt, dass die Variante milder als Delta ist und die Impfstoffe sehr gut gegen Krankenhauseinweisungen und Todesfälle wirken. "Es ist also nicht so schlimm, wie es hätte sein können", so Simonsen. Sie rechne damit, dass es in Zukunft mildere "Winterepidemien" geben werde, in der man die Risikogruppen gegen die aktuelle Variante des Coronavirus impfen müsse.
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Auch Søren Riis Paludan, Virologe an der Universität von Aarhus, ist ähnlich optimistisch: "Da sich viele Menschen mit Omikron infizieren und wir dadurch mehr Immunität in der Gesellschaft erlangen, wird es weniger Schwerkranke geben. Wenn wir den Frühling erreichen, ist meine Prognose, dass die Pandemie vorbei ist." Durch die Vakzine und frühere Infektionen erreiche man eine sehr hohe Immunität, so der Wissenschaftler. "Die Omikron-Variante und wahrscheinlich auch zukünftige Varianten sind weniger pathogen. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass zukünftige Varianten ernster werden."
Dänen nicht mehr so besorgt wegen Corona
Der Optimismus der Expert:innen überträgt sich auch auf die Bevölkerung. Untersuchungen des HOPE-Projekts, das das Verhalten und die Reaktionen der Dänen während der Corona-Pandemie verfolgt, kommen zu dem Ergebnis, dass die Dänen weniger Angst vor einer Corona-Infektion haben. Früher hätte man stark auf die Infektionszahlen geschaut, heute seien es die Hospitalisierungswerte, sagt der Leiter des Projektes, Michael Bang Petersen gegenüber DR.
"Hätten wir vor einem Jahr täglich 22.000 Infizierte gehabt, dann hätten alle Alarmglocken geläutet, heute aber nicht mehr in gleichem Maße", so Petersen. Die neuen Zahlen aus dem HOPE-Projekt zeigen, dass Dänen generell hohe Ansteckungsraten akzeptieren, solange sie die Krankenhäuser nicht überlasten. Und das wird nicht der Fall sein, meint Anders Perner, Professor und Arzt im Rigshospitalet in Kopenhagen. "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass uns die Omikron-Variante auf den Intensivstationen vor große Herausforderungen stellt", sagte er DR.
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